Entminung in Angola
Luanda, die Hauptstadt Angolas, könnte eine der schönsten Hafenstädte der Welt sein...
30 Jahre Bürgerkrieg schufen riesige Slums.
Nur aus der Entfernung schön: Boa Esperanca, ein provisorisches Lager für 75.000 Flüchtlinge.
Ohne jede Perspektive: Die Kinder, die im Lager geboren wurden.
Bericht
Das MgM-Minenräumprojekt Bengo
Zur Vorgeschichte
Die Provinz Bengo ist die Region rund um Luanda, die Hauptstadt Angolas. Über Jahrhunderte diente Bengo als Brotkorb der Hafenmetropole. Das außerordentlich fruchtbare Hinterland gab Luanda erst die Möglichkeit, sich zu einer der ehemals prachtvollsten Städte in Afrika zu entwickeln. Immer wieder versuchten feindliche Armeen, Luanda einzunehmen und immer wieder führte das zu Vertreibung und Leid der bäuerlichen Bevölkerung um die Stadt herum. Besonders schlimm wurden die Menschen von den letzten beiden ineinander übergehenden Kriegen getroffen, dem Befreiungskrieg von den Portugiesen und dem folgenden, bis heute andauernden Bürgerkrieg.
Fernab der Weltöffentlichkeit fand hier wie in vielen anderen Teilen Angolas ein Stellvertreterkrieg der Supermächte statt, die Angola als Schrottplatz für ausgediente Waffensysteme mißbrauchten. Die Mengen der ins Land gebrachten Waffen, Munition und Landminen ist schlichtweg ungeheuerlich und der Krieg wurde für die ländliche Bevölkerung aufgrund weitreichender Raketen und Bombardierung aus der Luft immer härter.
Gute Hoffnung
Als im Jahre 1992 die Friedensabkommen zwischen MPLA Regierung und der Rebellenorganisation UNITA nach der ersten demokratischen Wahl zerbrachen, flüchtete die gesamte Bevölkerung des Kernlandes von Bengo, Nambuangongo genannt, nach Luanda. Vor den Toren der Stadt wurden sie aufgehalten und WFP - das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen - mietete in einer trostlosen Einöde ein Grundstück an auf dem ein Lager für 75.000 Bürgerkriegsflüchtlinge eingerichtet wurde. Der Name dieses Lagers war Boa Esperanca, was auf Portugiesisch soviel heißt wie "Gute Hoffnung". Die Verteilung von Lebensmitteln und die Erhaltung der dörflichen Strukturen in Hüttengruppen übernahm die DWHH, die Deutsche Welthungerhilfe.
Auf Initiative des damaligen Deutschen Botschafters in Angola, Herrn Helmut von Edig, dem WFP Direktor Ramiro da Silva und dem Landeskoordinator der DWHH, Dr.Lange, wurde im Jahre 1996 die Rückführung der Bewohner von Boa Esperanca beschlossen. Niemand kannte die Situation im menschenleeren Nambuangongo denn obwohl nur 180 km von Luanda entfernt, war der Zugang wegen vermuteter Landminen in den völlig überwachsenen und abgesackten Straßen ohne passierbare Brücken versperrt. Die einzigen verfügbaren Informationen stammten von einem Helikopterflug unseres Botschafters mit NPA (Norwegian Peoples Aid) und Landkarten aus dem Jahre 1962.
Solange Straßen nicht benutzt werden können, bleiben Flüchtlingslager voll, Felder unbebaut und Schulen leer.
Von den Schrottplätzen des Bürgerkriegs: Umgebaute minensichere Militärfahrzeuge leisten Großartiges für den friedlichen Wiederaufbau.
Eine gepanzerte MgM-Straßenbaumaschine ebnet den Weg der Flüchtlinge nach Hause. Sogar LKWs können sofort nach der Minenräumung die DschungelStraßen befahren.
Der Beginn der Minenräumung
Auf Einladung des Auswärtigen Amtes, Referat 300, nahm die frischgegründete MgM den unmöglichen Auftrag an, eine komplette Region für die sichere Rückführung der Flüchtlinge vorzubereiten. Es folgte ein Meer an Arbeit unter härtesten Bedingungen mit eigens von MgM für diesen Zweck entwickelten Minenräumsystemen. Aufgrund akuten Geldmangels stammte unsere Maschinerie vom Kriegsschrott aus Namibia und die "Fachleute" schüttelten nur mit dem Kopf. Um überhaupt an die zu räumenden Straßen heranzukommen, mußten erstmal Brücken in das Gebiet von Minen geräumt und instandgesetzt werden.
Neben den erwarteten Problemen einer Minenräumung im gebirgigen tropischen Regenwald im brüchigen Frieden kam ein enormes logistisches Handicap, da in Aussicht gestellte Altmaterialien der Bundeswehr überraschenderweise nicht zur Verfügung gestellt wurden. In einer wohl einmaligen Solidaritätsbekundung stellte die "Konkurrenz" MgM eine komplette Campeinrichtung, Erste-Hilfe-Ausrüstung und gar geländegängige 4x4-Fahrzeuge zur Verfügung.
Mit einem solchen Vertrauensbonus in unsere Fähigkeiten und dem Erwartungsdruck von zigtausenden von Menschen im Kreuz gab es für uns nur noch den Weg nach vorn. Allen Widrigkeiten zum Trotz und auch gegen den erklärten Willen der Regierung öffneten wir die Straßen nach Hause Meter für Meter, teilweise auch Zentimeter für Zentimeter.
Erste Erfolge, Neue Methoden
Die anfänglich sehr skeptischen internationalen Regierungen begannen zögerlich die ungewöhnliche MgM Methodik zu akzeptieren und schließlich begann die niederländische Regierung durch deren Ersten Sekretär in Luanda, Drs. Roderick Wols, unsere Kombination aus zeitgemäßer humanitärer Minenräumung und gleichzeitiger Straßen- und Brückeninstandsetzung massiv finanziell und moralisch zu unterstützen.
So wurden durch MgM die Begriffe der "integrierten" und der "mechanisch unterstützten" Minenräumung geschaffen. Aus dem ursprünglich geplanten 12 monatigen Projekt zur Räumung von 75 Kilometern wurden 2 Jahre und rund 260 Kilometer minenfreier und gleichzeitig tatsächlich befahrbarer Straßen. In den Straßen selber fanden wir nur verhältnismäßig wenige Minen und Sprengfallen, aber groß waren Berge an Munition und Minen in jeder verlassenen Ortschaft.
Direkt hinter dem MgM-Minenräumteam warteten schon die Flüchtlinge.
Immer umlagert: die MgM-Ambulanz.
Geduldig warten die Menschen, bis sie diese notdürftig reparierte, aber minenfreie Kirche wieder betreten können.
Die Heimkehr
Die Bevölkerung in Boa Esperanca wurde von Tag zu Tag ungeduldiger und als wir die Distrikthauptstadt Muxaluando freigaben, setzte ein nichtendenwollender Strom von Heimkehrern ein. Die Menschen warteten nicht auf Marschbefehle oder Lkw von Regierung oder anderen Hilfsorganisationen, zu Fuß, alles verbliebene Hab und Gut auf dem Kopfe tragend, liefen geschätzte 60.000 Flüchtlinge nach 7 langen Jahren wieder in ihre Heimat. Hinter unseren Einsatzteams stauten sich die Menschen zu Tausenden und jede weitere freigegebene Ortschaft war ein Freudenfest. Weihnachten 1998 hatte MgM so alle ehemaligen Bewohner Boa Esperancas nach Hause gebracht und der Direktor von WFP (World Food Program) nannte dies die einzige glückliche Flüchtlingsrückführung, die Angola je gesehen hat. Leider gilt auch dies bis heute.
Erste Hilfen
Da keine anderen Strukturen existierten, strömten die Menschen in unsere Camps auf der Suche nach medizinischer Hilfe - speziell bei Geburten und Unfällen, die beim Instandsetzen der Hütten immer wieder vorkamen. Gerade als unsere Sanitäter mit 400 Patienten pro Tag kurz vor dem Zusammenbruch standen, sprang die Johanniter Unfallhilfe mit Personal, Ausrüstung und Medikamenten ein.
Wir standen der Bevölkerung Tag und Nacht bei, jedes verdächtig aussehende Objekt wurde von unseren Feuerwerkern sichergestellt, die Straßenräummaschinen schufen Fußballplätze, die Minenräumer schulten Kinder unter Bäumen (Schulen!) im Umgang mit den Gefahren von Minen und Munition und unsere Verwaltung (ein Laptop) half Beschwerdebriefe an die Provinzregierung zu verfassen.
Brunnen, Wasserstellen, Schulen, Kirchen, Gesundheitsposten, Friedhöfe, Häuser, Hütten, Gärten, Plantagen, Windräder, Bushaltestellen, Märkte, Pfade, Furten, alle verdächtigen Orte wurden von den MgM Teams geräumt und gegebenenfalls instandgesetzt.
Etliche Kinder wurden während unserer Anwesenheit geboren und viele tragen den Modenamen "Em-Jee-Em" oder sind nach den beiden Gründern von MgM, den damaligen Einsatzleitern vor Ort benannt.
Auf den Straßen und Wegen der Provinz Bengo können die Kinder wieder ohne Gefahr spielen.
Kaum zu glauben: inmitten dieser ärmlichen Ruine ist dieser Mann glücklich. Er hat lange Jahre darauf gewartet, mit dem Wiederaufbau seines Hauses beginnen zu können. Nachdem MgM die Überreste seines Dorfes als minenfrei übergeben hat, liegt die Zukunft seiner Familie wieder in seiner Hand. Ein Glück, um dass ihn noch viele Angolaner beneiden...
Keine Unfälle, keine Opfer
Wenig später trat der Bürgerkrieg erneut in eine härtere Phase und wir mußten unsere Teams aus Nambuangongo zurückziehen. Wir bezogen Zwischenstation an der Küste in Libongos und Ambriz.
Die Arbeit in Nambuangongo ist zwar nur zu 95% gemacht, aber bis heute sind alle Rückkehrer dort verblieben, alle Straßen sind in Betrieb und es hat bis heute nicht einen einzigen Minen- oder Munitionsunfall in den von uns geräumten Gebieten gegeben.
Zwischenbilanz
Setzt man die aufgewandten Mittel in ein Verhältnis zu den geräumten Minen, dann hat das Aufspüren und Vernichten jeder einzelnen Mine rund 50.000 DM gekostet, setzt man die Gelder aber ins Verhältnis zur Anzahl der sicher heimgekehrten Menschen, dann sind es gerade mal 50DM pro Person. Man sieht, es kommt nicht auf die Anzahl der geräumten Minen an, sondern auf die sozialen Auswirkungen. Die Leute in Nambuangongo brauchen heute keine MgM und keine Lebensmittel von der DWHH und WFP mehr. Leider füllten sich die Lager vor den Toren Luandas bald erneut, diesmal mit Menschen aus der Region Dembos. Die MgM-Projekte in Bengo für das Jahr 2001 sehen die sichere Rückführung auch dieser 30.000 Opfer des angolanischen Bürgerkrieges vor.
Ob MgM den nächsten schwierigen, aber dringend notwendigen Abschnitt dieses humanitären Minenräumprojektes erfolgreich umsetzen kann, wird in besonderem Maße von der weiteren Unterstützung unserer Fördermitglieder abhängen.